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Weinherstellung: Weißwein

Weinherstellung: Weißwein

Geschrieben von Miriam Schröer am .

Zuletzt aktualisiert am 28. Januar 2024.

250 Millionen Hektoliter. Das ist die Menge Wein, die 2022 weltweit erzeugt wurde.
Das entspricht 25 Millionen Kubikmetern oder dem Inhalt von 10.000 olympischen Schwimmbecken.
Anders ausgedrückt: mit der Weltweinproduktion könnte man fast 10 Mal die Cheopspyramide fluten! 😮

Weinherstellung: Vom Weinberg in die Flasche

Jeder einzelne Tropfen dieser unvorstellbaren Menge Wein wurde auf dieselbe Art und Weise erzeugt. Bei aller Weinvielfalt ist die Methode der Weinherstellung der unzähligen Weinbauern und Kellermeister weltweit dennoch dieselbe. (Ja – natürlich gibt es länder- und regionsspezifische Produktionsmethoden und Besonderheiten, aber die grundlegenden Schritte der Weinherstellung bleiben überall gleich.)

Was weißt du über Weinherstellung? Hast du dich schon mal gefragt, wie der Wein in deinem Glas entstanden ist? Vielleicht hast du sogar schon mal eine Kellerführung in einem Weingut mitgemacht?

Aber vielleicht interessiert dich die Weinwerdung auch gar nicht und dein Fokus liegt auf dem Probieren neuer Weine und dem Genuss. Dann überspring diesen Artikel einfach und gehe direkt zu den Sensoriktipps.

In diesem Artikel möchte ich dir einen Überblick darüber geben, was auf dem Weg vom Weinberg in die Flasche passiert. Wir schauen uns die Weißweinherstellung genauer an.
Wie Rotwein, Roséwein und Schaumwein hergestellt werden, darauf werde ich in zukünftigen Blogbeiträgen auch noch näher eingehen. Bleib‘ also dran!

Nun aber zum Weißwein und wie er in die Flasche kommt, damit du ihn genießen kannst.
Ich stelle dir hier die wichtigsten Arbeitsschritte und Kriterien für einen fruchtig-frischen, jung zu genießenden Wein vor. Für lagerfähige, komplexere Weißweine wird „unterwegs“ die ein oder andere abweichende Entscheidung getroffen, die grundlegenden Arbeitsschritte sind aber gleich.

Weinherstellung: Was passiert im Weinberg und bei der Lese?

Schon lange bevor der Kellermeister die Trauben geliefert bekommt, presst und weiterverarbeitet, finden wichtige Entscheidungen im Weinberg statt. Diese betreffen den geplanten Weinstil, denn auf den kann der Winzer bereits im Weinberg Einfluss nehmen.

Die Weinherstellung beginnt im Winter mit dem Rebschnitt: hier trifft der Winzer bereits Entscheidungen, die den Stil seines zukünftigen Weins beeinflussen.

Eine der wichtigsten Entscheidungen trifft der Weinbauer bereits im tiefsten Winter, wenn der Weinstock kahl und ohne Blätter in der Kälte steht. Denn dann ist es Zeit für den Rebschnitt.
Wein ist eigentlich eine Kletterpflanze – das sieht man besonders schön an Hausfassaden, an denen sich „Wilder Wein“ hochrankt. Im Weingarten hingegen sehen Reben ganz anders aus – der Winzer hat sie zu Weinstöcken „erzogen“.
Wäre das nicht der Fall, würde die Weinreibe wild vor sich hin wuchern und sehr viele Weintrauben entwickeln. Allerdings wären diese Trauben klein, enthielten wenig Saft und kaum Süße. Der Grund dafür: die der Pflanze zur Verfügung stehenden Nährstoffe müssen auf alle Früchte aufgeteilt werden. Kurz: viele Trauben, wenig Geschmack.
Mit dem Rebschnitt nimmt der Weinbauer direkten Einfluss darauf, dass sich weniger Trauben entwickeln, die dann aber von höherer Qualität sind. Und das ist von entscheidender Bedeutung für den späteren Wein.

Im Lauf des Winzerjahres passieren draußen im Weinberg noch viele weitere wichtige Dinge:

  • Nach dem Austrieb und meist schon vor der Blüte kontrolliert der Weinbauer die Rebstöcke dann auf Wasserschosse und Nebenaugen und schneidet diese weg – so geht die Kraft der Pflanze nicht in Nebenschauplätze.
  • Im späten Frühjahr „strickt“ der Winzer die neuen und mittlerweile schon recht lang gewordenen Triebe in Drähte ein, die quer über den Rebstöcken gespannt sind. Die Triebe können sich im Drahtrahmen1 anranken und sind damit besser vor Wind geschützt.
  • Später werden die Triebe „entspitzt“ oder „gewipfelt“, das bedeutet, die Triebspitze wird gekappt. Das dient dazu, dass die Pflanze sich nicht selbst zuviel Licht nimmt und ordentlich Fotosynthese betreiben kann, damit die Trauben groß und kräftig und saftig werden.
  • Ebenfalls wichtig für eine ideale Fotosynthese ist das Ausgeizen der Triebe und das Entblättern in der Traubenzone. So ist eine gute Durchlüftung der Trauben gewährleistet und nach einem Regen trocknen die Trauben schnell wieder ab – das schützt vor Pilzerkrankungen.

Das sind beispielhaft einige der vielfältigen und wichtigen Arbeiten, die im Lauf des Jahres im Weingarten stattfinden.
Je nach Standort der Rebstöcke – nenn‘ es Terroir, wenn du willst (warm, kühl, trocken, feucht, windig,…) – sowie in Abhängigkeit von der Rebsorte und dem gewünschten Weinstil trifft der Weinbauer bei jedem Arbeitsschritt die passenden Entscheidungen.

Dazu gehört dann zu gekommener Zeit auch die Entscheidung über den richtigen Lesezeitpunkt.
In unserem Beispiel wollen wir einen frischen und fruchtbetonten Wein herstellen. Dieser Weinstil lebt von saftigen Fruchtaromen und einer lebendigen Säure. Für den Winzer heißt das: nicht zu spät ernten. Der Knackpunkt: die Aromareife der Beeren findet früher statt als die Zuckerreife. Es gilt also, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, sodass viel Aroma in den Beeren vorhanden ist, aber auch bereits ausreichend Süße, um die in der Beere enthaltene Säure zu puffern. Denn „frisch mit lebendiger Säure“ heißt keinesfalls „sauer“!

Jetzt haben wir also den Lesetag festgelegt und stehen im Weingarten. Hier sind Schnelligkeit und kühle Temperaturen Trumpf. Denn: sobald die Trauben vom Stock geschnitten werden und in der Lesekiste landen, werden einige Trauben platzen und Saft wird austreten, der sich unten in der Lesekiste sammelt.

Vor allem bei warmen Temperaturen kann dann schon eine Gärung einsetzen! Auch Mikroorganismen vermehren sich gern und schnell bei Wärme – und die sollen uns unseren Wein ebenfalls nicht verderben. In Kontakt mit dem Luftsauerstoff findet zudem eine Oxidation statt – für einen frischen Weißwein absolut unerwünscht! Sauerstoff ist für die feinen Fruchtaromen der größte Feind.

Wir müssen also die Trauben vor Oxidation und Mikroorganismen schützen, bis sie im Keller verarbeitet werden können. Mittel der Wahl sind Schwefeln2, Trockeneis und möglichst eine Lese in den frühen, kühlen Morgenstunden.

Vollernter sind besser als ihr Ruf: vor allem sind sie schnell und bringen die Trauben kühl und frisch in den Weinkeller.

Der Einsatz von Lesemaschinen, so genannten Vollerntern, ist ebenfalls eine Option. Moderne Maschinen arbeiten schonend und vor allen Dingen schnell – die gewonnene Zeit kommt den feinen Fruchtaromen zugute.

Weinherstellung: Was passiert im Keller?

Jetzt sind die Trauben also im Keller. So geht es jetzt weiter:

Abbeeren

In einem frischen, fruchtbetonten Weißwein, wie wir ihn produzieren möchten, soll vor allem eines nicht vorkommen: Gerbstoff. Gerbstoffe, oder Tannine, finden sich in Beerenhäuten, Kernen und im Stielgerüst. In vielen Weinstilen, vor allem bei Rotwein, tragen sie zur (erwünschten) Struktur eines Weins bei. In fruchtigen Weinen, die zum schnellen Verzehr bestimmt sind und von feinen Aromen leben, sind sie indes unerwünscht.
Vor allem Gerbstoffe aus unreifen (grünen) Stielen (nennt man auch Kämme oder Rappen) führen zu geschmacklich unangenehmen Komponenten im Wein. Und – du erinnerst dich – wir lesen unsere Trauben nicht sehr spät, die Kämme sind möglicherweise noch nicht ausgereift.
Der erste Arbeitsschritt im Keller ist also das Abbeeren oder Entrappen – wir befreien die Weißweinbeeren mithilfe einer Abbeermaschine vom Stielgerüst.

Sieht der Kellermeister für einen anderen Weinstil eine Ganztraubenpressung vor, das ist das Pressen der ganzen Weintrauben mitsamt den Kämmen, dann entfällt dieser Schritt und die ganzen Trauben samt Stielen landen in der Presse.

Entrappen oder nicht, das hängt ganz vom angestrebten Weinstil ab.

Pressen

Die vom Stielgerüst befreiten Beeren werden nun möglichst verzögerungsfrei und ohne Umwege in die Weinpresse befördert. Auch hier ist zügiges Arbeiten gefragt: einmal entrappt, tritt Saft aus der Beere aus und das Risiko einer Oxidation oder einer mikrobiologischen Verunreinigung steigt.

Vielleicht hast du schon einmal eine traditionelle Baumpresse oder Korbpresse gesehen. Hier und da sind noch welche im Einsatz.
Die Mostausbeute, also der gewonnene Traubensaft, einer Baumpresse ist in der Tat quantitativ wie auch qualitativ sehr gut. Allerdings ist die benötigte Zeit zum Pressen sehr lang und damit – du ahnst es schon – das Oxidationsrisiko hoch. Du weißt was passiert, wenn man einen angeschnittenen Apfel liegen lässt: er wird braun und nach einiger Zeit schmecken die braunen Stellen bitter. Das möchten wir in unserem Wein nicht haben.

Moderne Tankpressen sind nahezu geschlossene Systeme und arbeiten äußerst schonend. Letzteres ist deshalb wichtig, damit beim Pressen der Trauben möglichst wenig Trub in den Most gelangt. Trubstoffe sind winzig kleine Schwebeteilchen aus Fruchtfleisch, Kernen und Schalen und enthalten unter anderem Phenole – also wieder die unerwünschten Gerbstoffe. Da Trubstoffe die Gärung negativ beeinflussen und deshalb vor der Gärung weitgehend entfernt werden müssen, versucht man, sie durch möglichst schonende Arbeitsgänge von Vornherein auf ein absolutes Minimum zu begrenzen.

Entschleimen

Igitt – was soll das denn sein? „Schleimig“ ist sicher nicht das erste Adjektiv, das einem zu Wein einfällt.

Wir sind noch immer beim Trub, und den wollen wir loswerden. Unsere Beeren sind gepresst, der Traubenmost ist im Tank. Jetzt ist Warten und das Ausnutzen der Schwerkraft angesagt. Die Trubstoffe im Most sinken nach und nach zu Boden und bilden ein Depot. Der Most darüber ist deutlich klarer (aber noch lange nicht blitzblank, solltest du dich das gerade fragen). Dieser Vorgang dauert einige Stunden, beispielsweise über Nacht.

Dieser Arbeitsschritt der Vorklärung ist unerlässlich, denn die Trubstoffe würden die Gärung stören und können Fehltöne im Wein verursachen. Im Trub haben wir noch einige unerwünschte Feststoffe, wie die bereits genannten Partikel von Kernen und Beerenschalen, aber auch Erde und Staubkörnchen. Wird keine Entschleimung vorgenommen, kann sich dies auf den späteren Wein negativ auswirken. Es kann zum Beispiel zu einer so genannten „stürmischen“ (sehr heftigen) Gärung kommen, bei der Aromen verloren gehen. Insgesamt steigt die Gefahr von Weinfehlern, einem unsauberen Geschmacksbild und einem zu hohem Gerbstoffgehalt.

Also erst mal eine Nacht abwarten, bis die Trubstoffe sich am Boden des Tanks abgesetzt haben. Danach füllt der Winzer den über dem Trub stehenden klar(er)en Most in den Gärbehälter um. Je klarer der Most nach dem Entschleimen ist, desto ruhiger verläuft die anschließende Gärung.

Alternativ kann eine Entschleimung mittels Filtration oder durch Zentrifugieren (Achtung: mechanische Belastung!) erfolgen. Auch die Zugabe von Klärungsmedien wie Bentonit, Gelatine oder Kieselsol ist eine Möglichkeit.
Für klare, reintönige Aromen in unserem späteren Wein ist die Vorklärung des Traubenmostes unerlässlich.

Gärbehälter

Vergären werden wir unseren Most in einem Edelstahltank. Dieses Material ist State-of-the-Art für die Herstellung frischer Weine, die mit Fruchtaromen brillieren sollen.
Edelstahl ist sauerstoffdicht, es findet eine so genannten „reduktive“ Weinbereitung statt, das heißt ohne Sauerstoffkontakt. Das begünstigt die Erhaltung der feinen Fruchtaromen.
Außerdem kann die Temperatur eines Edelstahltanks besser gesteuert werden – für unseren Weinstil und die knackigen Fruchtaromen benötigen wir kühle Gärtemperaturen.

Moderne Edelstahltanks in einem Weinkeller.

Alkoholische Gärung

Jetzt wird es spannend: unser (süßer) Traubenmost wird zu (trockenem) Wein.
Bei der alkoholischen Gärung wird der Zucker im Most zu Alkohol umgewandelt. Das erledigen Hefen. Hefen sind Pilze, die für ihre Vermehrung den im Most enthaltenen Zucker benötigen. Alkohol ist ein Nebenprodukt aus dem Vermehrungsprozess der Hefen.

Man unterscheidet zwischen Wildhefen und Zuchthefen.

  • Wildhefen
    sind bereits im Weingarten vorhanden. Da sie auch auf den Trauben sitzen, gelangen sie mit diesen in den Keller. Dort vermehren sich die wilden Hefen während des Pressens und gelangen so in den Most. Die Naturhefen können eine Spontangärung auslösen – früher war das die einzige Möglichkeit, Wein herzustellen.
    Allerdings können die meisten Wildhefen den Most nicht vollständig vergären, da sie bereits bei Erreichen eines Alkoholgehalts von 3 – 4 % vol. nicht mehr zuverlässig arbeiten oder sogar absterben.
    Wildhefen spielen somit insbesondere zu Beginn der Gärung eine Rolle (unabhängig davon, ob außerdem noch mit anderen Hefen gearbeitet wird). Der Gärungsverlauf ist aber schwierig zu kontrollieren und das Risiko ist hoch, dass die Gärung „stecken bleibt“, das heißt, das noch unvergorener Zucker im Most verbleibt und der Wein nicht trocken durchgegoren wird.
  • Zuchthefen
    sind das Mittel der Wahl, wenn es um Gärsicherheit geht, also eine unterbrechungsfreie, zügige Umwandlung des Zuckers in Alkohol. Wie der Name schon sagt, werden diese Hefen im Labor gezielt selektioniert und gezüchtet.
    Je nach gewünschtem Gärungsverlauf oder Weintyp züchtet man verschiedene Hefearten mit bestimmten Merkmalen. Erwünschte Eigenschaften von Zuchthefen sind beispielsweise ein schneller Gärstart, das zuverlässige Durchgären des Mostes, geringe Schaumbildung und eine gute Alkoholausbeute. So genannte Kaltgärhefen arbeiten auch noch bei Temperaturen von 6 bis 9 °C, spezielle Sekthefen sind hingegen unempfindlich gegenüber einem hohen Alkoholgehalt. 

Während der Gärung ist die Temperaturkontrolle entscheidend, um die gewünschten Aromen und Strukturen im Wein zu erhalten. Fruchtbetonte Weißweine wie in unserem Beispiel profitieren von einer langsamen, kühlen Gärung. So wird die Frische und Fruchtigkeit bewahrt. Für unseren fruchtig-frischen Weißen wählen wir also eine kühle Gärtemperatur und eine Kaltgärhefe, die mit dem kühlen Milieu gut klarkommt.
Eine wärmere und schnellere Gärung geht zulasten der primären Fruchtaromen, dafür wird der spätere Wein insgesamt komplexer und das Lagerpotenzial ist in der Regel höher.

Je mehr Zucker von den Hefen in Alkohol umgewandelt wird, desto trockener wird der Wein.
Ist der Zucker vollständig verbraucht, sterben die Hefen ab. Bei einem sehr zuckerreichem Most kann das durchaus auch früher passieren, nämlich dann, wenn der Alkoholgehalt eine für die Hefen kritische Grenze erreicht. Die Hefen sterben ab, wenn der Alkoholgehalt zu hoch wird – sie bringen sich quasi mit ihrem eigenen Vermehrungsnebenprodukt um.

Falls der Kellermeister einen restsüßen Wein erzeugen möchte, stoppt er die Gärung vorzeitig. Dies kann durch Herunterkühlen erfolgen (die Hefen stellen ihre Arbeit ein) oder durch Zugabe von Schwefel. Nach dem Gärstopp muss der Wein dann schnellstens von den Hefen getrennt werden, um eine Nachgärung aufgrund des noch vorhandenen Zuckers zu vermeiden.

Auf unseren Wein trifft das nicht zu – wir möchten einen frischen, trockenen Wein ohne Restsüße und hoffen daher, dass die Gärung planmäßig verläuft und der Wein durchgärt.

Tank- oder Fassreife / Biologischer Säureabbau

Die Gärung ist beendet und die abgestorbenen Hefezellen sinken als Geläger auf den Boden des Gärtanks. Der Kellermeister kann nun den fertigen Wein vom Geläger abziehen, also in einen anderen Tank umfüllen.

Er kann sich aber auch dazu entscheiden, den Wein noch eine Zeitlang mit dem Geläger in Kontakt zu lassen. Entweder lässt er den Wein, so wie er nach der Gärung ist, im Kontakt mit der Vollhefe, oder er zieht den Wein in einen anderen Behälter um und lagert den Wein auf der Feinhefe (sehr feine, im Wein schwebende Heferückstände).
Ziel dieser Hefesatzlagerung ist es, zusätzliche Geschmacksstoffe in den Wein gelangen zu lassen. Je nach Dauer der Hefesatzlagerung erhält der Wein einen leichten, frischen Hefeton und eine weiche, cremige Textur.

Der so genannte biologische Säureabbau (auch „malolaktische Gärung“) wird ebenfalls durch die Hefesatzlagerung begünstigt. Hierbei wird im Wein enthaltene, eher kantige Apfelsäure umgewandelt in die mildere Milchsäure. Dabei sinkt auch der Gesamtsäuregehalt im Wein leicht. Weine mit BSA schmecken fülliger und runder. Bei fast allen Rotweinen ist BSA üblich, bei Weißweinen kennt man ihn vor allem bei schmelzig-vollen Weinen mit Holzfassausbau (Stichwort California-Chardonnay).

Da wir einen frischen, jung zu trinkenden Weißwein mit feinen Fruchtaromen und lebendiger Säure herstellen möchten, sind weder ein Hefelager erforderlich noch ist ein biologischer Säureabbau erwünscht. Unser Kellermeister wird den BSA also nicht aktiv einleiten und auch sonst darauf achten, dass der BSA nicht ohne Zutun spontan erfolgt.
Deswegen wird unser Jungwein möglichst schnell vom Geläger in einen anderen Tank abgezogen.

Schönung und Stabilisierung

Wie – schöner wird unser Wein auch noch? Ja, denn direkt nach der Gärung ist der Wein noch nicht so blank, wie du ihn später gern im Glas hast.

Schönen bedeutet, dass der Jungwein nach der Gärung von unerwünschten Inhaltsstoffen befreit wird. In erster Linie sind das wieder Trubstoffe in Form von Heferückständen und Verbindungen, die nach der Abfüllung zu Trübungen führen oder den Geschmack beeinträchtigen können.

Die unerwünschten Inhaltsstoffe lassen sich unter Ausnutzung ihrer elektrischen Ladung binden. Dazu setzt man Zusätze mit jeweils gegensätzlicher elektrischer Ladung ein, die die Schwebstoffe und Verbindungen dann anziehen. Diese Zusätze bestehen aus tierischem Eiweiß (Hühnereiweiß, Kasein, Gelatine), Mineralien (Bentonit, Kaolin) oder chemischen Schönungsmitteln (Kieselsol, Aktivkohle).

Sind die unerwünschten Stoffe gebunden, sinken sie zu Boden und der klare Wein kann in einen anderen Behälter abgezogen werden.

Ähnlich verhält es sich mit der Stabilisierung. Im Wein sind zum Beispiel Eiweißverbindungen enthalten, die bei wärmeren Temperaturen ausfallen können. Steht ein Wein mit solchen unschönen Ausflockungen im Händlerregal, regt er nicht gerade zum Kauf an.

Ebenfalls vor der Abfüllung erfolgt die Weinstein-Stabilisierung. Dazu wird der Wein einige Tage bis Wochen (!) auf ca. -4 °Celsius heruntergekühlt. Die Weinstein-Kristalle fallen aus und sinken zu Boden.

Nach der Schönung und Stabilisierung wird der Jungwein Wein in der Regel geschwefelt. So werden Mikroorganismen abgetötet und einer Oxidation vorgebeugt.

Verschnitt

Das Verschneiden von Weinen findet häufiger statt, als du vielleicht denkst.
Dabei geht es nämlich nicht ausschließlich um das Herstellen einer Cuvée von Weinen aus unterschiedlichen Rebsorten. Auch bei reinsortigen Weinen kombiniert der Kellermeister Weine aus verschiedenen Lagen, Tanks oder Fässern.

In unserem Fall könnte das konkret so aussehen, dass der Kellermeister Jungweine derselben Sorte miteinander verschneidet, die aus verschiedenen Lagen stammen und eventuell auch zu verschiedenen Zeitpunkten geerntet wurden.

Nach dem Zusammenführen der Weine lässt der Winzer den fertigen Verschnitt noch eine Zeitlang im Tank ruhen, damit die neu kreierte Cuvée sich harmonisieren kann.

Abfüllung

Letzter Schritt der Weinherstellung: das Abfüllen des genussfertigen Weins.

Endlich ist der Zeitpunkt des Füllens gekommen. Hier – wie übrigens bei ausnahmslos allen Arbeitsschritten im Weinkeller – ist Hygiene das oberste Gebot.

Falls erforderlich, wird der Wein unmittelbar vor dem Füllen filtriert. Eine Filtration ist wieder eine mechanische Belastung und deshalb mit Vorsicht anzuwenden. Feinste Schwebeteilchen im Wein sind auch Geschmacksträger und wenn man diese entfernt, können Aromastoffe verloren gehen. Jeder Kellermeister wird diese Methode also wohlüberlegt und sorgsam einsetzen.

Sterile Flaschen und Verschlüsse schützen vor Verunreinigungen, die später in der Flasche zu einer Nachgärung oder zu Fehlern führen können.

Aus diesem Grund wird oft unter Schutzgasatmosphäre abgefüllt. Es gibt auch die so genannte Heißabfüllung, bei der der Wein während des Füllens auf ca. 55 °C erhitzt wird. Dieses Verfahren tötet Keime ab, kann aber auch die Aromatik beeinträchtigen.

Für eine bessere Haltbarkeit kann man dem Wein vor der Abfüllung etwas Ascorbinsäure (Vitamin C) hinzufügen.
Und jungen, fruchtigen Weißweinen, die für den schnellen Verzehr gedacht sind, wird gelegentlich für eine Extraportion Frische vor der Abfüllung noch etwas Kohlensäure zugesetzt.

Weinherstellung: Der genussfertige Wein

Unser Wein ist in Flaschen gefüllt, etikettiert und in Kartons verpackt und kann seine Reise zum Händler und in der Folge in unseren Keller und Kühlschrank antreten.

Hättest du gedacht, dass so viele Überlegungen, Arbeitsschritte, Equipment und Stoffe für die Weinherstellung erforderlich sind? Und das war jetzt nur der grobe Überblick. In Wahrheit passieren dazwischen noch viele weitere kleine Schritte der Bearbeitung, Kontrolle und Optimierung auf dem Weg zur Weinwerdung.

Bleib dran, wir haben noch mehr zu entdecken! Demnächst schauen wir uns an, wie Rotwein und Roséwein hergestellt werden und auch die Fans der prickelnden Weine werden einen Blick hinter die Kulissen erhalten.

Mehr über Wein und Weingenuss erfährst du in einem kurzweiligen Workshop mit mir.

  1. Die Systeme zur Reberziehung unterscheiden sich je nach Klimazone, Bodenbeschaffenheit und Rebsorte – die Drahtrahmenerziehung (Guyot) ist eine gängige Reberziehung in gemäßigten Weinbauzonen wie Österreich. ↩︎
  2. Das vieldiskutierte Thema Schwefel im Wein füllt wahrscheinlich schon Bände. Fakt ist: Sulfite kommen zu einem gewissen Grad natürlich im Wein vor. Für zugesetzten Schwefel gibt es Grenzwerte und innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte ist der Verzehr von Schwefel unbedenklich. Als Oxidationsschutz und Schutz vor Mikroorganismen (Verkeimung) ist Schwefel aktuell alternativlos. ↩︎

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