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Assemblage und Cuvée: Mehr als die Summe ihrer Teile

Assemblage und Cuvée: Mehr als die Summe ihrer Teile

Geschrieben von Miriam Schröer am .

Die Begriffe Cuvée oder Assemblage hast du vermutlich schon einmal gehört. Aber was genau steckt dahinter? Ist das nur ein schönes Wort auf dem Etikett – oder mehr?

Tatsächlich geht es um eine der spannendsten Methoden in der Weinbereitung. Statt einer einzelnen Partie ein und desselben Weins kommen bei einer Cuvée gleich mehrere Weine ins Spiel – manchmal aus unterschiedlichen Rebsorten, manchmal aber auch aus derselben Sorte, nur aus verschiedenen Lagen, Jahrgängen oder Ausbauarten. Wie bei einem gut eingespielten Team bringt jede Komponente ihre eigenen Stärken mit, und im Zusammenspiel entsteht ein vielschichtiger, harmonischer Wein.

Viele der berühmtesten Weine der Welt – von Bordeaux bis Champagner – entstehen genau auf diese Weise. Womit sich die Frage stellt: Was ist der Sinn dahinter? Warum vermählen Winzer überhaupt Weine? Wie läuft das in der Praxis ab? Und was bedeutet das für uns, die den Wein im Glas genießen?

Cuvée und Assemblage – nicht ganz dasselbe

Die Begriffe „Cuvée“ [ky’ve:] und „Assemblage“ [asɑ̃blaʒ] werden oft synonym gebraucht, eigentlich bedeuten sie aber nicht ganz dasselbe.

Cuvée leitet sich vom französischen cuve ab, also „Fass“ oder „Behälter“. Im engeren Sinne bezeichnete „cuvée“ zunächst einfach den Inhalt eines bestimmten Fasses oder die Abfüllung eines Weins – ganz unabhängig davon, ob es sich um eine Mischung handelt oder nicht. Noch heute versteht man in Frankreich unter „cuvée“ auch eine besondere Abfüllung oder einen bestimmten Wein eines Hauses (z. B. „Cuvée Prestige“).

Assemblage bedeutet wörtlich „Zusammenstellung“ und beschreibt das gezielte Verschneiden mehrerer fertiger Weine – sei es aus unterschiedlichen Rebsorten, Lagen oder Jahrgängen. Hier steht also der kreative und handwerkliche Prozess im Vordergrund.

Heute wird im deutschsprachigen Raum „Cuvée“ fast ausschließlich im Sinn von Assemblage verwendet, also als Bezeichnung für Weine, die aus mehreren Partien komponiert wurden. Streng genommen ist das eine Bedeutungsverschiebung – aber sie hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert. Auch der englische Begriff „Blend“ wird gelegentlich verwendet.

Für den Hausgebrauch reicht die einfache Vorstellung: Eine Cuvée ist ein Wein, der aus mehreren Komponenten entsteht. Jede einzelne Sorte oder Partie bringt ihre eigenen Aromen, ihre Struktur und ihren Charakter mit, und gemeinsam ergeben sie ein harmonisches Ganzes. Genau das macht diese Verschnitte so vielseitig und spannend – sie erlauben Winzern, unterschiedliche Stärken zu kombinieren und ein ausgewogenes, komplexes Geschmackserlebnis zu schaffen.

Historie: Wer hat’s erfunden?

Die Assemblage ist eine typisch französische Technik, die seit Jahrhunderten zur klassischen Weinbereitung in der Grande Nation gehört – und zwar vor allem in den berühmten Regionen Bordeaux und Champagne. Ziel dieses Prozesses ist es, verschiedene Weine so miteinander zu verschneiden, dass ein harmonischer, komplexer und stilistisch konsistenter Wein entsteht. Man spricht dabei auch von einer „Mariage“ – die verschiedenen Partien werden quasi miteinander verheiratet oder vermählt.

Bordeaux – Traditionell und lösungsorientiert

In Bordeaux werden seit Jahrhunderten mehrere Rebsorten kombiniert. Klassisch sind Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc, manchmal ergänzt durch Petit Verdot. Jede Sorte bringt eigene Stärken mit: Struktur und Lagerfähigkeit, Frucht und Fülle, Eleganz und Würze.
Der ursprüngliche Antrieb war jedoch weniger die Suche nach Komplexität als vielmehr Notwendigkeit: Je nach Jahrgangsverlauf reiften die Rebsorten nämlich sehr unterschiedlich aus. Durch das Verschneiden konnten die Winzer Qualitätsschwankungen ausgleichen und – ein netter Nebeneffekt – gleichzeitig einen wiedererkennbaren „Hausstil“ schaffen. Heute gilt das Verschneiden von Weinen nicht nur in Bordeaux als große Kunst und als Markenzeichen und Ausdruck der Handschrift eines Weinguts.

Champagne – der Ursprung der Cuvée

In der Champagne wird die Assemblage nicht nur auf Rebsorten (Pinot Noir, Chardonnay, Pinot Meunier), sondern auch auf Jahrgänge angewendet. Mehrere Jahrgänge zu vermählen ermöglicht den Champagnerhäusern, ihren typischen Stil über Jahrzehnte konstant zu halten – trotz der Jahr für Jahr schwankenden Wetterbedingungen, für die die Region bekannt ist.

Die Erfindung dieser Methode wird oft Dom Pierre Pérignon (1638–1715) zugeschrieben, einem Benediktinermönch der Abtei Hautvillers. Ihm wird nachgesagt, die Kunst des Verschneidens in der Champagne entscheidend geprägt zu haben, auch wenn Legenden und historische Realität dabei nicht immer klar zu trennen sind. Sicher ist: Die Assemblage ist bis heute das Herzstück der Champagnerherstellung.

Vom Pragmatismus zur Quasi-Kunstform

Was in früheren Zeiten vor allem ein Mittel war, um Ernte- und Jahrgangsschwankungen abzufedern, entwickelte sich im Laufe der Zeit fast schon zu einer Kunstform. Heute steht die Technik des Verschneidens nicht nur für Konstanz, sondern auch für Kreativität und Stil. Bordeaux und Champagne haben damit eine Technik geprägt, die weltweit Nachahmer gefunden hat – so genannte „Bordeaux-Blends“ findet man heute von der Toskana bis nach Kalifornien.

Assemblage: Weine aus mehreren unterschiedlichen Fässern können zu einer Cuvée vermählt werden.

Wie entsteht eine Cuvée in der Praxis?

Das Verschneiden von Weinen ist ein sorgfältiger Prozess, der Erfahrung, Feingefühl und eine gute Portion Intuition erfordert. Am Anfang steht die Auswahl der Partien: Weiner verschiedener Rebsorten, unterschiedlicher Lagen oder einzelne Fässer werden genau geprüft. Jede Partie bringt ihre eigenen Aromen, Strukturen und Charakterzüge mit – und genau diese Vielfalt macht die Cuvée so spannend.

Danach folgt die Verkostung am Probiertisch. Winzer nehmen kleine Mengen der einzelnen Partien und verkosten sie systematisch – alleine oder im Team. Dabei wird geprüft, welche Komponenten besonders harmonieren, welche noch ausbalanciert werden müssen und welche den gewünschten Stil unterstützen.

Das Assemblieren ähnelt der Arbeit eines Komponisten. Winzer mischen kleine Mengen der einzelnen Partien, probieren verschiedene Kombinationen aus und justieren die Anteile, bis die gewünschte Balance erreicht ist. Es ist ein Prozess von Versuch und Irrtum, Erfahrung und Kreativität – jedes Fass, jede Rebsorte kann das Ergebnis entscheidend beeinflussen.

Schließlich fällt die Entscheidung: Wann ist der Wein rund und ausgewogen? Hier zählen nicht nur technische Aspekte wie Säure, Tannin oder Frucht, sondern auch das subjektive Gefühl, das der Wein vermittelt. Erst wenn alle Elemente harmonisch zusammenwirken und der Wein die Handschrift des Winzers trägt, ist die Cuvée fertig und bereit, abgefüllt zu werden.

Klassische Beispiele & Stilrichtungen

Cuvées sind unglaublich vielseitig und in allen Weinfarben und Stilen zu finden. Sie zeigen die Kreativität der Winzer und die Vielfalt der Regionen.

Rotweine – Bordeaux als Vorbild

Bordeaux ist das klassische Vorbild für Rotwein-Cuvées: Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und gelegentlich Petit Verdot bilden hier die Basis für elegante, strukturierte Weine. Dieses Prinzip der Assemblage hat sich weltweit verbreitet: In der Toskana, in Südafrika, Australien oder Kalifornien entstehen heute ebenfalls Blends nach dem Vorbild der Bordeaux-Blends. Jede Region interpretiert die Mischung nach eigenem Stil und klimatischen Bedingungen, aber das Ziel bleibt das gleiche: ausgewogene, komplexe und harmonische Weine.

Beispiele:

  • Château Margaux (Bordeaux, Médoc) – Cabernet Sauvignon-dominiert, ergänzt durch Merlot und Cabernet Franc
  • Château Cheval Blanc (Bordeaux, Saint-Émilion) – Merlot-dominiert, ergänzt durch Cabernet Franc

Weißweine – Bordeaux & Südfrankreich

Auch bei Weißweinen spielen Assemblagen eine Rolle. Klassisch sind auch hier Bordeaux-Blends aus Sauvignon Blanc und Sémillon, oft ergänzt durch Muscadelle. Im Languedoc und der südlichen Rhône werden traditionell Rebsorten wie Bourboulenc, Grenache Blanc, Marsanne oder Roussanne vermählt.

Beispiele:

  • Château Haut-Brion Blanc (Bordeaux, Pessac-Léognan) – Sauvignon Blanc & Sémillon, cremig und füllig
  • Domaine de Chevalier Blanc (Bordeaux, Graves) – Sauvignon Blanc und Sémillon, frisch und elegant
  • Château de Beaucastel (Südliche Rhône, Châteauneuf-du-Pâpe) – Châteauneuf-du-Pâpe Blanc aus Roussanne, Grenache Blanc, Clairette, Bourboulenc, Picpoul, Picardan,… (nutzt alle 13 zugelassenen Sorten)

Rosé-Weine: Südfrankreich

Südfrankreich ist das Zentrum für Rosé-Weine. Klassische Regionen sind Provence und Tavel. Grenache Noir, Cinsault und Mourvèdre bilden die Basis, ergänzt durch weitere rote Sorten je nach Region. Ziel des Verschneidens von Rosé-Weinen ist eine harmonische Balance von Frucht, Frische und Struktur – vom leichten Sommerwein bis zum eleganten Essensbegleiter.

Beispiele:

  • Domaines Ott, „By Ott“ (Côtes de Provence) – Grenache, Cinsault, Mourvèdre
  • Château d’Esclans, „Whispering Angel“ (Côtes de Provence) – Grenache, Cinsault
  • Château de Manissy „Tête de Cuvée“ (Südliche Rhône, Tavel) – Grenache, Cinsault, Clairette

Schaumwein-Cuvées: Champagne

In der Champagne ist fast jeder Wein eine Cuvée, bestehend aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier, oft auch aus verschiedenen Jahrgängen, um den charakteristischen Stil eines Hauses zu sichern.

Beispiele:

  • Dom Pérignon (Moët & Chandon) – klassischer Verschnitt aus mehreren Jahrgängen und Rebsorten
  • Veuve Clicquot Brut – Pinot Noir, Chardonnay, Pinot Meunier

Cuvée goes international

Auch außerhalb Frankreichs werden Blends nach Bordeaux-Vorbild produziert.

Italien:

  • Sassicaia (Toskana, DOC Bolgheri) – Cabernet Sauvignon & Cabernet Franc
  • Ornellaia (Toskana, DOC Bolgheri) – Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot

Kalifornien:

  • Opus One (Napa Valley) – Cabernet Sauvignon & Merlot

Südamerika:

  • Montes Alpha M (Chile, Valle Central) – Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Merlot und Petit Verdot
  • Kaiken Ultra (Argentinien, Mendoza) – Cabernet Sauvignon & Malbec

Cuvées bieten eine breite Palette an Geschmacksrichtungen und Stilen, die sowohl Tradition als auch Kreativität ausdrücken. Wer solche Weine probiert, erlebt sowohl die Handschrift des Winzers als auch die Vielschichtigkeit der jeweiligen Region.

Das Herstellen einer Cuvée erfordert viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl.

Cuvée vs. sortenrein – was ist besser?

Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage: Sollte ein Wein sortenrein sein oder lieber ein Blend? Beide Ansätze haben ihre eigenen Stärken – und jeder Wein erzählt eine andere Geschichte.

Sortenreine Weine

Ein sortenreiner Wein besteht nur aus einer Rebsorte. Das hat den Vorteil, dass der Charakter der Sorte besonders deutlich zur Geltung kommt. Fans erkennen sofort typische Aromen und Strukturen, von der Frische eines Rieslings bis zur Eleganz eines Pinot Noir. Sortenreine Weine sind ideal, um die Eigenheiten eines Terroirs oder Jahrgangs hervorzuheben. Allerdings kann ein einzelner Wein stärker von Jahrgangsschwankungen oder den Eigenschaften einer Parzelle beeinflusst werden.

Cuvées

Sie entstehen durch das Verschneiden mehrerer Rebsorten, Partien oder Jahrgänge. Ihr Vorteil liegt in der Balance und Komplexität: Säure, Frucht, Tannin und Körper lassen sich harmonisch kombinieren. Winzer können Schwankungen einzelner Partien ausgleichen und gleichzeitig den Stil des Weinguts klar herausarbeiten. Ein Verschnitt aus mehreren Weinen ist meist komplex und vielschichtig im Geschmack, zeigt aber weniger deutlich den Charakter der einzelnen Rebsorte.

Fazit

Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“. Sortenreine Weine eignen sich, wenn man die Rebsorte oder das Terroir besonders betonen möchte. Cuvées bieten hingegen Flexibilität, Ausgewogenheit und die Möglichkeit, kreative Akzente zu setzen. Wer sich als Weinfreund auf beide Ansätze einlässt, entdeckt die ganze Bandbreite der Weinwelt – von der klaren Rebsortenidentität bis zur vielschichtigen Harmonie einer gelungenen Assemblage.

Tipps für Weinfreunde

Blends bewusst zu probieren kann deine Weinverkostung noch spannender machen. Mit etwas Übung und Hintergrundwissen kannst du in einer Bindverkostung versuchen zu erkennen, ob ein Wein aus mehreren Partien oder Rebsorten besteht.

Erkennen beim Verkosten

Cuvées zeigen oft viele Facetten und Balance: Aromen sind vielschichtiger, es gibt unterschiedliche Frucht-, Gewürz- oder Kräuternoten, und die Struktur wirkt rund und harmonisch. Ein sortenreiner Wein präsentiert meist ein klar erkennbares Aromen- und Geschmacksprofil der Rebsorte – bei einem Blend wechseln sich Nuancen ab, ohne dass etwas überhandnimmt. Wer genau hinschmeckt, kann die Vielfalt der Komponenten entdecken und vielleicht sogar einzelne Rebsorten herausschmecken.

Worauf du beim Kauf achten kannst

  • Etikett:
    Manche Winzer nennen die beteiligten Rebsorten, andere schreiben lediglich „Cuvée“ aufs Label. Manchmal gibt die Bezeichnung schon einen Hinweis auf die Zusammensetzung.
  • Herkunft:
    Regionen mit einer langen Tradition im Verschneiden von Weinen wie Bordeaux, die Provence oder Champagne sind gute Orientierungspunkte für hochwertige Weine.

Kleine Challenge für Weinfreunde

Beim nächsten Besuch im Weingut oder beim Weinfachhändler: Probiere doch mal bewusst einen Wein aus, der aus mehreren Sorten kreiert wurde und achte auf die verschiedenen Aromen, die Balance und die Struktur. Versuche, einzelne Nuancen zu entdecken – und vergleiche mit einem sortenreinen Wein derselben Region. So wird das Probieren zu einem kleinen Abenteuer und zeigt, wie viel Kreativität und Erfahrung in einer gelungenen Assemblage stecken.

Fazit: Die Magie der Mischung

Eine Cuvée ist weit mehr als die Summe ihrer Teile. Sie vereint Kreativität und Handwerk: Winzer wählen sorgfältig Rebsorten, Jahrgänge und Partien aus, verkosten, experimentieren und bringen am Ende alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen.

Für Weinliebhaber sind Blends eine besondere Einladung: Sie eröffnen die Möglichkeit, Wein auf spielerische und genussvolle Weise zu entdecken. Wer genau hinschmeckt, erkennt die einzelnen Facetten und die Handschrift des Winzers. Jede Cuvée erzählt eine eigene Geschichte und lädt dazu ein, Vielfalt und Kreativität zu erleben.

Welcher Blend hat dich zuletzt überrascht und warum? Oder hast du bereits eine Lieblings-Cuvée? Dann verrat’s mir gern in den Kommentaren!

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Dieser Beitrag wurde unabhängig erstellt und nicht vergütet. Er spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Enthaltene Links sind nicht kommerziell und dienen der Wissensvermittlung.

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